Die „Abrufverpflichtung“ – Wie Diensteanbieter:innen sich vor Zeiten ohne Beschäftigung schützen können
Sie sind Freelancerin, Diensteanbieter oder "Externe" und haben einen Auftrag an Land gezogen, aber die Aufgaben bleiben aus - und damit auch die Abrechnungsmöglichkeit? Wir erklären Ihnen die Möglichkeiten und Risiken einer Abrufverpflichtung.
Üblicherweise kalkulieren Sie und auch Ihr:e Auftraggeber:in mit einem bestimmten Auftragsvolumen. Was tun Sie nun, wenn Sie im Wartemodus „wie bestellt und nicht abgeholt“ Ihre Zeit bereit halten, aber die oder der Auftraggeber:in Sie nicht kontaktiert?
Eine „Abrufverpflichtung“ klingt verlockend – und kann für Risikofreudige die Lösung für dieses Problem sein.
Das Problem
Ihre Ausgangslage haben wir eben schon skizziert: Sie arbeiten in einem IT-Projekt und Ihnen wurde ein bestimmter Beschäftigungsumfang zugesagt. Dann aber endet plötzlich das Projekt oder Ihr:e Auftraggeber:in möchte Sie aus anderen Gründen nicht weiter einsetzen, obwohl die Zusammenarbeit länger geplant war. Oder es meldet sich schlicht niemand mit Aufgaben bei Ihnen.
Bezahlt werden Sie in der Regel nur für tatsächlich geleistete Arbeit, wenn nichts Abweichendes vereinbart wurde (etwa eine fixe Summe). Eine Bezahlung ist vielmehr nur nach tatsächlich geleistetem Aufwand geplant. Wo keine Arbeit anfällt, können Sie nichts abrechnen. Aber die Zeit, die Sie hierfür einkalkuliert haben, können Sie auch nicht für andere Aufträge verplanen.
Nun fallen also Einnahmen weg, die Sie im schlimmsten Fall schon fest einkalkuliert haben. In „geblockten“ Zeiten können Sie keine anderen Kund:innen bedienen – es entsteht Ihnen also ein „Leerlauf“, der nicht anderweitig zu füllen ist.
Das passiert bei IT-Projekten nicht selten. Nur etwa die Hälfte aller IT-Projekte findet tatsächlich einen Abschluss. Beide Parteien müssen daher einigermaßen flexibel bleiben und auch immer bedenken, dass IT-Projekte schnell einmal unvorhergesehen oder früher als geplant enden können. Und daran, diesen Fall zu regeln, haben beide Parteien natürlich auch ein nachvollziehbares Interesse.
Die Lösung
Was kann man dagegen also tun? Welche gesetzliche Grundlage gilt? Und was ist die bereits genannte „Abrufverpflichtung“?
Szenario: Der Vertrag ist schon geschlossen
Haben Sie schon einen Vertrag mit der oder dem Auftraggeber:in geschlossen, „ist das Kind schon in den Brunnen gefallen“. Man kann nur noch die Verträge darauf prüfen, ob der Fall des „Leerlaufs“ geregelt wurde. Denn gesetzlich ist es so: Sie können nur für tatsächlich erbrachte Leistungen auch eine Vergütung verlangen (egal ob Werk- oder Dienstvertrag). Geregelt ist der Fall, wenn Sie im Vertrag Klauseln finden, die bestimmen, dass Sie eine gewisse Vergütung erhalten, unabhängig davon, ob Sie tatsächlich eine bestimmte Leistung erbringen oder nicht. Oder dass Sie für bestimmte Mindestkontingente gebucht wurden. Oder wenn die oder der Auftraggeber:in dazu verpflichtet ist, Sie tatsächlich zu beschäftigen (wie Sie eine gute Leistungsbeschreibung vereinbaren, lesen Sie hier).
Ist der Vertrag dagegen ein „einseitig verpflichtender“ (Rahmen-)Vertrag, müssen sie in den sauren Apfel beißen. In diesem Fall sind Sie zur Erbringung ihrer Leistungen zwar verpflichtet, die oder der Auftraggeber:in aber nicht zu deren Abruf . Das können Sie daraus ablesen, dass zum Beispiel „erwartete“ Auslastung oder Leistungsstunden im Vertrag angegeben sind, oder Worte wie „voraussichtlich“ oder „unverbindlich“ verwendet werden. Auftraggeber:innen regeln zudem oftmals auch explizit, dass Sie zum Abruf der Leistung nicht verpflichtet sind, oder was passiert, falls das Projekt eingestellt wird.
Wurde dazu wirklich überhaupt nichts geregelt, gilt gesetzlich, dass die gegenseitig vereinbarten Leistungspflichten auch bindend sind – also dass die oder der Auftraggeber:in zu zahlen und die oder der Auftragnehmer:in zu leisten hat. Besteht dann kein konkreter Auftrag, bleiben diese Pflichten im luftleeren Raum hängen und Sie können keine Beauftragung oder Zahlung verlangen.
Unter außergewöhnlichen Umständen können Sie ggf. Schadensersatz für entgangenen Gewinn oder aufgrund § 242 BGB (Verstoß gegen Treu und Glauben) verlangen. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. Falls Sie in eine solche Situation geraten, unterstützen wir Sie gern.
Eine Schadensersatzforderung erfordert aber besondere Umstände und setzt u.A. voraus, dass die oder der Auftraggeber:in zum Beispiel eine treuwidrige „Beliebigkeit“ oder einen hohen Grad des Verschuldens an den Tag legt und Sie deswegen nicht einsetzt.
Szenario: Der Vertrag ist noch nicht geschlossen – für die Zukunft
Wie können Sie Ihre Verträge aber so gestalten, dass es für Sie gar nicht erst zum Leerlauf kommen kann?
Wenn es Ihnen auf Rechtssicherheit ankommt, sind die Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Man kann eine sogenannte „Abrufverpflichtung“ im Vertrag vereinbaren. Das bedeutet, dass zwar nach tatsächlich erbrachter Leistung abgerechnet wird, aber die angebotene Leistung tatsächlich auch bezogen bzw. „abgerufen“ werden muss. Die oder der Auftraggeber:in verpflichtet sich also dazu, Ihnen tatsächlich Arbeit zu geben. Hierbei können etwa bestimmte Mindeststundenzahlen vereinbart werden oder auch Prozentsätze der beauftragten Leistung.
Klarstellend kann man auf mögliche Schadensersatzansprüche hinweisen, für den Fall dass Arbeit ausbleibt. Solche Klauseln bieten rechtlich aber keinen Mehrwert (wenn Sie lediglich die Gesetzeslage widerspiegeln) und bergen das Risiko, unwirksam zu sein, wenn Sie die Gesetzeslage nicht korrekt wiedergeben.
Diese Abrufklauseln bringen zwar Chancen, aber auch Risiken:
Auftraggeber:innen sehen diese Klauseln nicht immer gern und es wird Verhandlungssache bleiben, ob es die Regelung am Ende in Ihren Vertrag schafft oder nicht.
Zu scharf formuliert können die Klauseln ggf. knebelnd wirken und daher unwirksam sein, weil sie dadurch die oder den Vertragspartner:in unangemessen benachteiligen.
Nicht zu unterschätzen ist das Risiko der Scheinselbstständigkeit, welches sich durch die Verwendung solcher Abrufverpflichtungsklauseln erhöht. Wenn die oder der Auftraggeber:in sich zur Beschäftigung verpflichtet, können die tatsächlichen Vertrags- und Arbeitsbedingungen nämlich schnell einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis entsprechen. Gerade dann ist dafür Sorge zu tragen, dass die übrigen Umstände klare Indizien gegen eine arbeitnehmerähnliche Struktur aufweisen. Dies ist faktisch schwer zu bewerkstelligen. Selbstständige tragen das Unternehmerrisiko dagegen selbst – ein Recht auf Beschäftigung haben sie gerade nicht.
Die Verwendung einer solchen Klausel will daher gut überlegt sein und birgt ein rechtliches Risiko.
Sie wollen eine Abrufverpflichtung regeln?
Natürlich unterstützen wir Sie gern bei der Formulierung solcher Klauseln.
Wir haben immer wieder solche Anfragen und prüfen Vertragswerke Ihrer Auftraggeber:innen gern daraufhin und gestalten Sie auftragnehmerfreundlicher.
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