Was müssen Softwareanbieter und Entwickler beim Einsatz von Open Source Software beachten?

Der folgende Beitrag von Dr. Nico Einfeldt, Rechtsreferendar aus Schleswig-Holstein, zum Einsatz von Open Source Software ist der Siegerbeitrag des 4. comp/lex Blog-Wettbewerbs (April/Mai 2020). Der Autor hat ihn nach Abstimmung mit uns redaktionell ergänzt.

Einführung

Open Source Software ermöglicht, bestehende Software in eigenen Produkten zu verwenden und so Kosten für Softwareentwicklung zu sparen. Sie kann unverändert übernommen oder an eigene Bedürfnisse angepasst werden.

(Un)begrenzte Freiheit und Urheberrecht?

Open Source Software wird häufig auch als freie Software bezeichnet. Wer sie verwenden möchte, sollte sich jedoch einmal Gedanken machen, woher diese Freiheit kommt und was Freiheit eigentlich bedeutet. Einer der Erfinder der freien Software – Richard Stallmann – hat es folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „You should think of ‚free‘ as in ‚free speech‘ not as in ‚free beer‘.“

Für eine Erklärung muss man etwas ausholen: Nach dem Urheberrechtsgesetz entsteht das Urheberrecht an Computerprogrammen ohne den Willen des Urhebers – also durch bloßes Programmieren. Das gilt auch für Open Source Software. Mit seinem Urheberrecht kann ein Programmierer die Verwendung seiner Software verbieten, aber auch erlauben. Dazu kann er Lizenzen einräumen. Und als Urheber kann er auch bestimmen, welchen Preis andere für die Lizenz zahlen: Null Euro! Das ist die Grundlage der Open Source Software – Der Programmierer räumt jedem Interessierten kostenlos eine Lizenz ein. Alle dürfen die Software nutzen, ohne dafür Lizenzgebühren zahlen zu müssen.

Na also: Freibier für alle!? Nein – so einfach ist das eben doch wieder nicht. Denn viele Open Source Software-Lizenzen kennen ein „Aber“: Man darf die Software verwenden, ohne Lizenzgebühren zu zahlen, aber muss alle Bedingungen der Lizenz erfüllen.

Wird die Bedingung nicht erfüllt, entfällt die Lizenz. Und ohne Lizenz ist die Nutzung nicht erlaubt – es droht eine Abmahnung durch den Urheber.

Bedingte Freiheit durch Lizenzen!

Aber was sind das für Bedingungen, die dort in den Lizenzbedingungen stehen? Das hängt davon ab, welche der zahlreichen Open Source Software-Lizenzen der Urheber wählt. Es gibt Lizenzen, die lediglich verlangen, dass der Name des Programmierers genannt wird. Andere Lizenzen verlangen, dass darüber hinaus auch auf das verwendete Programm und die Lizenz hingewiesen wird. Dabei schreiben die Lizenzen teilweise sogar vor, auf welche Weise dieser Verweis erfolgen soll. Ein lizenzkonformes Verhalten setzt also eine detaillierte Lektüre der Lizenz voraus, um alle Bedingungen einhalten zu können.

Copyleft: Open Source ist ansteckend!

Strenge Lizenzen enthalten eine Copyleft-Klausel. Diese soll dafür sorgen, dass Open Source Software ansteckend ist: Wenn eigene Software mit Open Source Software in Verbindung kommt, droht eine Infizierung. Die eigene Software wird zu Open Source Software mit allen Vor- und Nachteilen; sie kann von allen eingesehen und kostenlos verwendet werden.

Im Lizenzvertrag könnte das wie folgt aussehen: „Sie dürfen mein Programm nutzen und bearbeiten, aber wenn Sie mein Werk bearbeiten, dann wird Ihre Bearbeitung Open Source Software.“ Heißt: Wer seine Software auf Open Source Software aufbaut, muss den Quelltext offenlegen und die neue Software unter einer Open Source Software-Lizenz anbieten.

So einfach die Theorie der Copyleft-Klausel klingt, so schwierig ist die Auslegung in der Praxis. Denn es gibt viele verschiedene Open Source Software-Lizenzen. Das macht die Sache kompliziert. Denn der Nutzer der Open Source Software kann sich die Bedingungen nicht aussuchen, sondern muss sich an die Bedingungen der Programmierer halten, deren Software er benutzen möchte. Zwar gibt es Lizenztexte, die häufig verwendet werden, aber diese sind nicht unbedingt die simpelsten. So ist die GNU General Public License (GPL) in Version 2 noch immer die am häufigsten verwendete Lizenz. Sie ist aber sicher nicht die einfachste.

Open Source Software – Café International

Open Source Software wird weltweit eingesetzt und entwickelt. Programmieren kann man in jedem Land – und überall gilt ein anderes Recht. Das führt zwangsläufig zu einem unterschiedlichen Verständnis davon, was ein „abhängiges Werk“ oder eine „Bearbeitung“ von Software ist. Viele Open Source Software-Lizenzen sind in englischer Sprache verfasst und orientieren sich am US-amerikanischen Recht. Da stellt sich zum Beispiel die Frage: Was ist eigentlich ein „derivative work“? Denn sobald ein solches vorliegt, muss auch die eigene Software offengelegt werden und als Open Source Software vertrieben werden. Wird die eigene Software nicht offengelegt, liegt ein Verstoß gegen die Lizenzbedingen vor. Das führt – wie schon gesehen – dazu, dass die Lizenz entfällt und die Open Source Software gar nicht mehr genutzt werden darf. Im Zweifel fällt also das Fundament des eigenen Programms weg, wenn dieses auf Open Source Software aufbaut.

Alle machen Fehler – was passiert bei einem Verstoß?

Die Unsicherheit bei der Auslegung der Lizenz führt dazu, dass – auch ganz ohne Absicht – Fehler passieren. Es besteht die Gefahr, dass es infolge eines solchen Fehlers zu einer Abmahnung kommt. Allerdings sind weder Abmahnung noch Klage in der gestandenen Open Source Software Community das Mittel der Wahl. Open Source Software steht für eine Freiheit, die eingeräumt werden soll und mit der Copyleft-Klausel vergrößert werden soll, indem noch mehr freie Software entsteht. Eine Abmahnung, die etwas verbietet, steht daher grundsätzlich im Widerspruch zu den Idealen der Community. Gleichwohl bleibt sie möglich und wird auch eingesetzt, wenn sich Nutzer der Software nach einer freundlichen Aufforderung vehement dagegen versperren, die Lizenzbedingungen einzuhalten.

Allerdings gibt es auch Programmierer, die aus Sicht der Open Source Community schwarze Schafe sind. Sie mahnen bei Verstößen gegen die Lizenz direkt ab und verlangen die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Hier ist im besonderen Maße Vorsicht geboten. Wer eine solche Abmahnung enthält, sollte nicht die vorgefertigte Unterlassungserklärung unterschreiben. Denn von einer einmal unterschriebenen Unterlassungserklärung kommt man nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur ganz schwer wieder los. Deshalb sollte eine Unterlassungserklärung klar formuliert sein und keine Unsicherheiten in der Auslegung enthalten – gerade diese verstecken sich aber in vielen vorgefertigten Unterlassungserklärungen, wenn sie Bezug nehmen auf den nicht eindeutigen Lizenztext.

Im Ergebnis

Wer Open Source Software verwenden möchte, sollte sich vorher genau mit der Lizenz auseinandersetzen, um alle Bedingungen der Lizenz einhalten zu können. Denn es gilt zu bedenken, dass die Open Source Software nur dann genutzt werden darf, wenn alle Bedingungen eingehalten werden. Es fallen zwar keine Lizenzgebühren an – dennoch kann der Preis, der mit der Copyleft-Klausel gezahlt wird, sehr hoch sein.

Sollte es trotz größter Sorgfalt bei der Umsetzung der Lizenzbedingungen zu einem Fehler und infolgedessen zu einer Abmahnung kommen, sollte die Unterlassungserklärung genau geprüft werden.

Was heißt das für Anbieter und Entwickler von Software?

  • Anbieter von Standard-Software sollten permanent im Blick behalten, ob sie Open Source Module verwenden und unter welcher Lizenz diese Module stehen. Hier gilt es zu vermeiden, dass das verwendete Open Source Modul die ganze Software ansteckt. Denn sonst müsste diese vollständig offengelegt werden. Gleichzeitig sollte bei der Gestaltung der eigenen Lizenzbedingungen bedacht werden, den Kunden auf sämtliche Open Source Komponenten hinzuweisen sowie die Lizenzbedingungen der Open Source Software zu erfüllen.
  • Anbieter, die für ihre Kunden individuelle Software Lösungen entwickeln, müssen vor der Entwicklung prüfen, ob der Kunde Open Source Software erlaubt. Einige Unternehmen wollen – wegen der geschilderten Risiken – keine Open Source Komponenten in ihrer Software haben und verbieten daher die Verwendung in ihren Einkaufsbedingungen. Das heißt für Entwickler solcher Individual-Software, dass sie den Vertrag nur dann ordnungsgemäß erfüllen, wenn das Software-Produkt „Open-Source“-frei ist.
  • Digitalagenturen, die Individualsoftware entwickeln, müssen nicht nur prüfen, ob der Kunde Open Source Komponenten erlaubt. Sie müssen beim Zukauf von Software-Komponenten selbst vertraglich festhalten, ob diese Open Source Software enthalten dürfen. Wer dies erlaubt, muss den Entwickler oder Subunternehmer verpflichten, die Bedingungen der jeweiligen Open Source Software einzuhalten.

Über den Autor

Dr. Nico Einfeldt ist derzeit Rechtsreferendar am Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht. In seiner Dissertation zum Thema „Open Content Lizenzen und das Bearbeitungsrecht“ (ISBN 978-3-8471-1107-8) hat er sich ausführlich mit dem Einsatz von Open Source Software beschäftigt.

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