Wer braucht Anwalts-Apps?
In letzter Zeit bieten immer mehr Anwälte und Kanzleien eigene Smartphone-Apps für ihre (potenziellen) Mandanten an. Ich frage mich, ob das wirtschaftlich sinnvoll ist. Es scheint verschiedene Arten von Anwalts-Apps zu geben:
- Standard-Apps für kleinere Kanzleien; sie enthalten Standardkomponenten wie Blutalkoholrechner, Unterhaltsrechner etc. und sind für die jeweilige Kanzlei „gebranded“, wie man so schön sagt. Marktführer für diesen App-Typ ist die e.consult AG.
- Apps für größere Kanzleien; sie beschränken sich in der Regel darauf zu zeigen, wie viele tolle Hechte in der jeweiligen Kanzlei arbeiten und wie man sie schnell erreicht; ohnehin bestehende Informationsangebote der Kanzlei (Blog, Newsletter etc.) sind integriert. Auch hier erhält die App durch das „Branding“ der Kanzlei eine individuelle Note. Sie werden als „individuelle“ Apps beworben, technisch scheinen es aber angepasste Standardlösungen zu sein. Auf diese Art von Apps scheint die LawConnect GmbH ausgerichtet zu sein.
- Anwaltsplattformen in App-Form. Hier hilft eine App, den passenden (selbstständigen) Anwalt zu finden und den Kontakt zu ihm zu vermitteln. Auch hier bietet LawConnect ein Standard-Angebot für verschiedene Rechtsgebiete. Die Anwälte zahlen, um in der App vertreten zu sein.
- Individuelle Apps für Kanzleien aller Größen, die sich mit dem Thema etwas mehr Mühe geben. Beispiele sind (international) MoFo2Go und (national) der Pocket Anwalt von WBS.
Einen anderen interessanten Ansatz habe ich in den USA entdeckt: Velocity, eine „Cross-Selling App“ für Anwälte. Sie wird individuell von der Firma Content Pilot für größere Kanzleien entwickelt. Die App nutzen dann nicht die Mandanten, sondern die Anwälte selbst. Sie können dann im Rahmen von Mandantengesprächen schnell und bequem Auskunft darüber geben, über welche Expertise die Kanzlei abseits ihrer eigenen verfügt. Also eine Art Souffleur für den Anwalts-Smalltalk.
Solche Apps halte ich für sehr sinnvoll. Auch Apps, die das Arbeiten für Juristen einfacher und effizienter machen, finde ich wichtig und nutze ich selbst sehr gerne (dazu werde ich bald mehr schreiben). Aber bei den zuvor genannten Apps habe ich doch gewisse Zweifel daran, dass sich das Investment der Anwälte lohnt. Die allermeisten Nutzer schauen sich die App kurz an, finden sie nicht besonders aufregend, legen sie irgendwo ab und nutzen sie nie wieder.
Aber vielleicht bin ich ja auch auf dem falschen Dampfer. Was meinen Sie?