Outsourcing-Plattformen Teil 2: Fiverr
Upwork ist nicht die einzige Freelancer-Plattform, auf der Sie (IT-)Leistungen outsourcen können. Was Sie dabei beachten müssen, haben wir Ihnen ja bereits in einem früheren Beitrag erklärt. Hier nun unsere rechtliche Bewertung der Plattform Fiverr, einer günstigeren Variante von Upwork.
Was ist Fiverr und wie unterscheidet es sich von Upwork?
Auf Fiverr können Sie alle möglichen digitalen Leistungen outsourcen – vom Design eines Logos oder Flyers über Social Media Marketing bis hin zur Programmierung kleinerer Apps oder Websites. Im Vergleich zu Upwork ist die Bandbreite der angebotenen Dienste größer und umfasst neben IT-Dienstleistungen insbesondere auch zahllose Angebote aus dem Kreativ-Bereich – von E-Book-Design über Erklärvideos bis hin zum Visitenkartendesign ist alles vertreten. Wie sich aus der Aufzählung bereits erkennen lässt, sind die angebotenen Leistungen im Vergleich zu Upwork zudem viel stärker standardisiert. Auch kommen Verträge anders zustande: Während Sie auf Upwork Ihr Projekt zunächst ausschreiben und auf Bewerbungen von Freelancern warten, denen Sie dann ggf. einen Vertrag anbieten, läuft das ganze bei Fiverr in der Regel umgekehrt: Sie schauen sich die verschiedenen (Standard-)Angebote der Freelancer an und entscheiden sich dann für eines. Falls die angebotenen Leistungen nicht ganz Ihrem Bedarf entsprechen, können Sie die Freelancer aber auch um ein individuelles Angebot („custom offer“) bitten, um so die gewünschten Leistungen mit ihnen zu vereinbaren.
Wer handelt hier mit wem?
Auch wenn die Fiverr-AGB im Vergleich zu den Upwork-AGB wesentlich weniger ausführlich sind, ist die grundsätzliche Vertragsstruktur dieselbe: Auftraggeber und Freelancer schließen über die Plattform direkte Verträge („Gigs“) miteinander ab. Fiverr unterstützt die Parteien bei der Abwicklung, indem der Dienst als Treuhänder die Zahlung des Auftraggebers bis zur Erfüllung des Geschäfts einbehält; Fiverr ist selbst aber kein Vertragspartner des Geschäfts zwischen den Parteien.
Anders als bei Upwork ist bei Fiverr nicht vorgesehen, dass sie von den Standardvertragsbedingungen der Plattform abweichen oder zusätzlich eigene vereinbaren. Die Gestaltungsmacht liegt insofern bei den Freelancern, die im Rahmen ihrer Leistungsbeschreibung die Kernpunkte ihres Angebots (wie z. B. Preis, Anzahl der Wörter, Anzahl der Revisionen etc.) festlegen. (Was Sie in der Leistungsbeschreibung im IT-Vertrag beachten müssen, erfahren Sie in unserem E-Book.) Viele wichtige Rechtsfragen (etwa, wem ab wann das geistige Eigentum an dem Werk zusteht) werden folglich durch den jeweils einschlägigen Abschnitt der Fiverr-AGB geregelt, deren Geltung Sie bei der Anmeldung für die Plattform zugestimmt haben. Falls Sie in den Fiverr-AGB eine wichtige Regelung vermissen, besteht Ihre einzige Möglichkeit darin, Kontakt mit dem Freelancer über Chat aufzunehmen und ihn darum zu bitten, Ihnen ein individuelles Angebot („custom offer“) zu machen, das diesen Punkt umfasst. Abweichungen von den Regelungen der Fiverr-AGB (anstatt lediglich Ergänzungen dieser) sind jedoch nicht zulässig.
Welches Recht gilt für Fiverr-Gigs?
Nicht einheitlich zu beantworten ist die Frage, welches Recht auf Verträge anzuwenden ist, die über Fiverr geschlossen werden. Eine Rechtswahlklausel, die diese Frage generell regeln würde, ist in den Fiverr-AGB nicht enthalten. Es kommt also auf das Kollisionsrecht der Länder an, von denen aus Freelancer und Auftraggeber jeweils agieren. Bei Verträgen zwischen EU-Inländern ist die Frage über die Rom I-Verordnung zu lösen, speziell über Art. 4 Rom I VO. Da sich die meisten Freelancer im EU-Ausland aufhalten, dürfte dieser Ansatz allerdings nur selten weiterhelfen. Ebenfalls ist das in vielen Ländern ratifizierte UN-Kaufrecht (CISG) nicht anwendbar, weil dieses den Kauf körperlicher Sachen voraussetzt und somit bei Dienstleistungen, der Übertragung von geistigem Eigentum oder der Erstellung von Individualsoftware nicht greift. Sie können versuchen, dieses Chaos zu beenden, indem Sie eine Rechtswahlklausel mit Ihrem Freelancer vereinbaren, allerdings ist fraglich, ob sich Freelancer auf das aus ihrer Sicht kaum kalkulierbare Risiko einlassen, dass in Streitfällen ausgerechnet nach deutschem Recht zu entscheiden ist.
Sollte jedoch einmal der seltene Fall eintreten, dass Auftraggeber und Freelancer beide in Deutschland sitzen, gilt dieses natürlich auch ohne Rechtswahlklausel. Dann stellt sich die Frage, ob die Fiverr-AGB überhaupt wirksam in den Vertrag zwischen ihnen einbezogen wurden und ob sie ggf. einer Inhaltskontrolle standhalten. Die Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf drei Tage z. B. wäre insofern sicher unwirksam. Sich auf die Unwirksamkeit dieser Klauseln zu berufen, könnte Ihnen jedoch Schwierigkeiten mit Fiverr einbringen, da Sie deren AGB ja ausdrücklich akzeptiert haben und für Ihre Vereinbarung mit Fiverr (einer Limited mit Sitz in Israel) das deutsche Recht nicht gilt.
Geistiges Eigentum – Wem stehen die Rechte an dem Werk zu?
Wie bei Upwork gilt auch bei Fiverr: Das geistige Eigentum geht in dem Moment an Sie über, in dem der Freelancer seine Bezahlung erhält, also sobald Fiverr Ihr Geld an ihn freigibt (siehe Abschnitt „Ownership“). Anders als bei Upwork wird bei Fiverr nicht zwischen dem eigentlichen Werk und evtl. vom Freelancer eingebrachter Hintergrund-Technologie unterschieden, an der Sie nur ein einfaches, nicht exklusives Nutzungsrecht erhalten. Stattdessen erhalten Sie grundsätzlich alle mit dem Werk verbundenen Rechte und der Freelancer verzichtet auf evtl. nicht übertragbare Rechte unwiderruflich. Dies gilt nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Freelancer in seiner Gig-Beschreibung zusätzlich zu der günstigeren Grundversion eine „Commercial Use License“ gegen Aufpreis anbietet. In diesem Fall dürfen Sie das jeweilige Werk nur für den persönlichen (nicht-kommerziellen) Gebrauch verwenden, solange Sie nicht die erweiterte Lizenz erworben haben. Weitere Abstufungen existieren für sog. Voice Over-Gigs, bei denen der Freelancer Ihrem Produkt oder Dienst seine Stimme leiht.
Verwendung von Drittsoftware und Dokumentation
Da Fiverr nicht speziell auf die Vermittlung von Softwareentwicklern ausgerichtet ist, finden sich in den AGB auch keine Regelungen über die Verwendung von Drittsoftware oder eine entsprechende Dokumentationspflicht. Derartige Regelungen sind wichtig, damit Sie nicht am Ende Code erhalten, der Sie mit schweren Verpflichtungen belastet (etwa, Ihre eigene Software ebenfalls unter einer Open Source-Lizenz zu veröffentlichen, sog. Copyleft). Sollten Sie ein Softwareprojekt über Fiverr abwickeln wollen, empfiehlt es sich, entsprechende Regelungen in einem „custom offer“ zu vereinbaren.
Kündigen von Aufträgen
Freelancer können Gigs jederzeit aufkündigen, auch ohne Zustimmung des Auftraggebers („Force Cancellation“). In diesem Fall wird Ihnen das von Fiverr bereits eingezogene Geld als Guthaben auf der Plattform zu Verfügung gestellt. Es wird jedoch nicht auf Ihr Konto zurücküberwiesen. Macht ein Freelancer wiederholt oder grundlos von dieser Kündigungsoption Gebrauch, wirkt sich dies negativ auf seinen Status bei Fiverr aus.
Der Auftraggeber hat hingegen nur dann die Möglichkeit, den Gig zu kündigen, wenn der Freelancer nicht pünktlich liefert oder nach Ablieferung auf ein Änderungsverlangen seines Kunden nicht reagiert.
Im Falle eines Konflikts zwischen Freelancer und Auftraggeber kann schließlich auch noch der Fiverr-Kundenservice eingeschaltet werden, der ebenfalls bestimmen kann, dass der Auftrag als gekündigt gilt. Die Richtlinien, nach denen der Kundendienst hierbei vorgeht, finden sich im Abschnitt „Order Cancellations“.
Abnahme und Gewährleistung
Nachdem ein Gig abgeliefert wurde, hat der Kunde drei Tage Zeit, diesen zu akzeptieren oder eine Änderung zu verlangen (falls der Freelancer letzteres nicht in seinem Angebot ausgeschlossen oder auf eine bestimmte Anzahl begrenzt hat). Die extrem kurze Frist zeigt, auf welche Art von Diensten Fiverr im Kern ausgerichtet ist: Kleine, überschaubare Projekte, bei denen nicht allzu viel auf dem Spiel steht – ursprünglich eben auf Leistungen, die man für einen „Fünfer“ bekommt. In letzter Zeit bemüht sich der Dienst mit seiner „Fiverr Pro“-Zertifizierung für ausgewählte Freelancer darum, professioneller zu werden, um seine Attraktivität für die Abwicklung größerer und höherwertiger Projekte zu steigern. Aufgrund der extrem kurzen Frist ist jedoch Vorsicht angesagt, wann immer es um Leistungen geht, bei denen sich Fehler ggf. erst spät bemerkbar machen.
Schweigepflicht
Nach den Fiverr-AGB ist es ausdrücklich untersagt, private oder vertrauliche Informationen anderer User zu veröffentlichen oder an Dritte weiterzugeben. Was dem Freelancer von seinem Kunden mitgeteilt wird (und nicht allgemein bekannt ist), darf er ausschließlich dazu verwenden, um den ihm erteilten Auftrag fertigzustellen. Allerdings soll dieser Schutz nur für User gelten, die nicht außerhalb der Fiverr-Plattform miteinander kommunizieren. Zudem ist ein Verstoß gegen die Schweigepflicht nicht mit einer Vertragsstrafe verbunden. Ob sich Freelancer auf den Abschluss eines zusätzlichen Non Disclosure Agreements (NDA) einlassen, ist fraglich.
Best Practice
Müssen wir nochmal erwähnen, worauf es aus unserer Sicht besonders ankommt? Zur Sicherheit tun wir das einfach mal: Auf die Leistungsbeschreibung! Kommunizieren Sie genau, was Sie wie erledigt haben möchten, desto weniger kommt Ihr Freelancer auf kreative eigene Ideen, mit denen Sie nichts anfangen können. Wenn Sie das beachten, können Sie Fiverr für kleine Projekte bedenkenlos nutzen. Für komplexere IT-Projekte sollten Sie hingegen auf Upwork zurückgreifen, das Ihnen wesentlich mehr Freiheit bei der Vertragsgestaltung lässt.
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Ihre Ansprechperson
Dr. Jochen Notholt
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