Was Sie schon immer über AGB wissen wollten (aber nie zu fragen wagten)

In unseren letzten Beiträgen zum IT-Vertragsrecht tauchte immer wieder der Begriff „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ (AGB) auf. Warum das so ist und was Sie bei der Vertragsgestaltung und -verhandlung in diesem Zusammenhang zu beachten haben, erklären wir Ihnen hier.

Was sind „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ und warum ist es so wichtig, das zu verstehen?

Unter „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ versteht man vertragliche Regelungen, die nicht nur für ein individuelles Geschäft, sondern für mehrere gleichartige Geschäfte zur Anwendung kommen sollen. Das Gegenstück zu „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ ist der sog. Individualvertrag (oder eine einzelne individuelle Regelung).

Wichtig ist zunächst: Der Jurist versteht unter dem Begriff „AGB“ etwas anderes als der Laie. Aus juristischer Sicht geht es bei „AGB“ nicht unbedingt nur um Dokumente mit einer Vielzahl von Regelungen. Auch einzelne Regelungen in einem (Vertrags-)Dokument können „AGB“ sein.

Müssen „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ auch so heißen?

Nein. Für den Juristen kommt es nicht darauf an, wie ein Dokument heißt. Ein Dokument, das Allgemeine Geschäftsbedingungen enthält, muss also nicht „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ oder „AGB“ heißen. Es könnte sogar „Individualvertrag“ heißen – aus rechtlicher Sicht kommt es immer nur darauf an, wie jede einzelne Klausel rechtlich zu beurteilen ist.

Welche Folgen hat es, wenn Vertragsdokumente oder einzelne Regelungen Allgemeine Geschäftsbedingungen sind?

Wenn von Ihnen genutzte vertragliche Regelungen als AGB einzustufen sind, müssen sie höhere Anforderungen erfüllen, um wirksam zu sein. Grundsätzlich gilt in Deutschland ja Vertragsfreiheit, d.h. die Geschäftspartner können frei bestimmen, welche vertraglichen Regelungen zwischen ihnen gelten sollen. Sie müssen dabei lediglich darauf achten, einige „Extremgrenzen“ nicht zu überschreiten, z. B. darf das Geschäft nicht sittenwidrig sein (§ 138 BGB, z. B. Wucher-Darlehen), gegen Verbotsgesetze verstoßen (§ 134 BGB, z. B. Kauf illegaler Drogen) oder die Haftung für vorsätzliche Schädigungen ausschließen (§ 276 Abs. 3 BGB). Diese Anforderungen gelten für alle vertraglichen Regelungen, also sowohl für Individualvereinbarungen als auch für AGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen darüber hinaus aber noch weitere Voraussetzungen erfüllen. Sie unterliegen z.B. fast immer der so genannten Inhaltskontrolle.

Das heißt: Wenn einzelne Regelungen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht standhalten, kann sich der Geschäftspartner im Konfliktfall auf deren Unwirksamkeit berufen. Dann kommt nicht die AGB-Klausel zur Anwendung, sondern die entsprechende gesetzliche (für den AGB-Verwender normalerweise nachteiligere) Regelung. Außerdem bergen unwirksame AGB-Regelungen ein gewisses Abmahnrisiko.

Was heißt „Inhaltskontrolle“, für welche Regelungen gilt sie und für welche nicht?

Ein Grundgedanke des AGB-Rechts ist, dass ein Unternehmer, der standardmäßig rechtliche Regelungen vorgibt, seine Geschäftspartner durch diese Regelungen nicht unangemessen benachteiligen darf. Inhaltskontrolle bedeutet, dass AGB-Regelungen vor allem diesem Kriterium standhalten müssen.

Wie läuft so eine Inhaltskontrolle ab? Generell hält eine Regelung grob gesagt der Inhaltskontrolle stand, wenn sie

  • im Wesentlichen dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung entspricht, von der die Regelung abweicht, und sie
  • auch ansonsten die Rechte des Vertragspartners nicht unangemessen einschränkt.

Beispiele für solche Fälle enthält zum einen das Gesetz (sog. Klauselverbote, §§ 308, 309 BGB), zum anderen ergeben sie sich aus der Rechtsprechung. Falls es so eine Rechtsprechung (noch) nicht gibt, muss man selbst (mit oder ohne rechtliche Unterstützung) einschätzen, ob eine bestimmte Regelung wirksam ist.

Die Vorgaben der Inhaltskontrolle gelten für nahezu alle vertraglichen Regelungen im Bereich des IT-Rechts. Einzige Ausnahme sind Regelungen im Bereich der Leistungsbeschreibung: Sie unterliegen der Inhaltskontrolle nicht. (Falls Sie sich fragen, weshalb wir immer wieder darauf hinweisen, wie wichtig die Leistungsbeschreibung ist: Dies ist einer der besseren Gründe. Was Sie in der Leistungsbeschreibung im IT-Vertrag beachten müssen, erfahren Sie in unserem E-Book.)

Warum ist es schwierig, Regelungen zu entwerfen, die Ihnen Vorteile bringen und die gleichzeitig der Inhaltskontrolle standhalten?

Sie müssen sich das so vorstellen: Im Rahmen der Inhaltskontrolle wird Ihre vertragliche Regelung mit der dazu passenden gesetzlichen Regelung verglichen. Die gesetzliche Regelung ist normalerweise tendenziell ausgewogen: Weder der Anbieter noch der Kunde hat durch sie einen besonderen Vorteil.

Nun möchten Sie beim Entwurf eigener AGB vom Gesetz zu Ihren Gunsten abweichen. Diese Änderung hält der Inhaltskontrolle nur dann stand, wenn der Vertragspartner durch die Regelung nicht unangemessen benachteiligt wird. Wann das gegeben ist, beurteilt sich nach gewissen Kriterien. Das wichtigste dieser Kriterien: Ihre (neue) Regelung muss mit den wesentlichen Grundgedanken der Regelung, von der abgewichen wird, zu vereinbaren sein. Das heißt, sie darf hiervon nicht allzu stark abweichen. Die Rechtsprechung ist hier leider auch bei B2B-Geschäften ziemlich streng. Deshalb führt ein starkes Abweichen von der gesetzlichen Regelung in AGB häufig zur Unwirksamkeit.

Welche Unterschiede gibt es zwischen B2B- und B2C-Geschäften in Bezug auf Allgemeine Geschäftsbedingungen?

Das AGB-Recht gilt nicht nur für Verträge mit Verbrauchern (B2C), sondern auch für Verträge zwischen Unternehmern (B2B). Das mag manche überraschen, da sich die AGB-Vorschriften im BGB ein wenig wie Verbraucherschutzregeln lesen. Es ist aber eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die trotz wiederholter Kritik aus Wirtschaft und Rechtswissenschaft weiterhin Bestand hat.

Die zwei wichtigsten Unterschiede zwischen B2B- und B2C-Geschäften in Bezug auf AGB betreffen zum einen die Einbeziehung (d.h. die Voraussetzungen, unter denen die AGB Teil des Vertrages werden), zum anderen die Inhaltskontrolle. Verbraucher müssen ausdrücklich auf die Geltung der AGB hingewiesen werden und die Möglichkeit haben, diese „in zumutbarer Weise“ (also ohne sie lange suchen zu müssen) zur Kenntnis zu nehmen. Dagegen können gegenüber Unternehmern AGB auch stillschweigend einbezogen werden, etwa indem man diese dem Angebot beilegt oder bloß im Angebot auf ihre Geltung hinweist. Die Inhaltskontrolle ist im B2C-Bereich durch sog. Klauselverbote detaillierter ausgestaltet, im B2B-Bereich ist sie vor allem durch die Rechtsprechung geprägt. Die praktischen Abweichungen sind aber nicht immer so stark, wie man meinen könnte.

Lassen sich AGB-Klauseln verhandeln, und welche Folgen hat das?

Ein Rechtsirrtum, der sich auch in größeren Unternehmen hartnäckig hält, lautet: Allgemeine Geschäftsbedingungen sind per se nicht verhandelbar. Das stimmt aber nicht. Ob und in welchem Umfang sich AGB verhandeln lassen, entscheidet alleine das Unternehmen, das die AGB verwendet.

Verhandeln die Parteien über eine bestimmte Regelung, wird diese dadurch zu einer Individualvereinbarung. Achtung: Dass die Regelung aufgrund der Verhandlungen letztlich geändert wird, ist nicht erforderlich, es genügt bereits, dass die ernsthafte Möglichkeit einer Abänderung besteht! Die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle gilt für solche Klauseln dann nicht mehr. Wann die Parteien aber tatsächlich über ein Vertragsdokument oder über einzelne Klauseln verhandeln, kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein. Allein die Übersendung der AGB mit der Bitte um Anmerkungen oder etwaige Änderungswünsche, genügt für ein Verhandeln aber noch nicht (BGH, Urteil vom 20.1.2016 – VIII ZR 26/15).

Was passiert, wenn Sie unklare oder unwirksame AGB-Regelungen verwenden?

Unklare Regelungen gehen zu Lasten des Verwenders. Sie werden also im Sinne des Vertragspartners ausgelegt, d.h. der Prüfung wird stets die für den Verwender ungünstigste Auslegungsvariante zugrunde gelegt, wodurch die Klausel eher vom Gericht kassiert wird.

Solche unwirksamen AGB-Regelungen kommen gar nicht zur Geltung. Statt dessen gilt die gesetzliche Regelung, die sonst von der Klausel verdrängt worden wäre. Das gilt auch dann, wenn AGB eine sog. „Salvatorische Klausel“ enthalten. Diese sind in AGB also wirkungslos und überflüssig.

Setzt sich eine Regelung aus wirksamen und unwirksamen Elementen zusammen, kann es von den Details der Formulierung und sogar vom Satzbau abhängen, ob der wirksame Teil weiterhin gilt oder ob er mit dem unwirksamen Teil „mit untergeht“. Auch zu diesem Thema gibt es zahlreiche Gerichtsentscheidungen.

Unwirksame AGB-Regelung sind auch abmahnbar, vor allem von Konkurrenten, aber auch von bestimmten Verbänden (etwa Verbraucherschutzverbänden) und den Industrie- und Handelskammern. Abmahnungen von B2B-AGB passieren in der Praxis allerdings längst nicht so häufig wie Abmahnungen im B2C-Bereich. Das tatsächliche Abmahnrisiko ist hier erheblich geringer.

Was versteht man unter „kollidierenden AGB“?

In diesem Beitrag haben wir kurz den Vertragsschluss bei Verwendung automatisierter Bestellverfahren (z.B. mit Hilfe von ERP-Systemen wie SAP oder Salesforce) beschrieben. Im Rahmen dieser Bestellverfahren passiert es häufig, dass Unternehmen sowohl in ihren Bestellungen als auch in Bestellbestätigungen standardmäßig die Geltung ihrer AGB voraussetzen. Das kann – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – schnell dazu führen, dass AGB beider Vertragsparteien gleichermaßen Bestandteil werden.

Die allgemein anerkannte Lösung für diese Konstellation sieht so aus: Die AGB werden „übereinander gelegt“. Soweit Regelungen übereinstimmen oder soweit nur eine Partei eine rechtliche Frage geregelt hat, sind diese Regelungen (zunächst) wirksam. Widersprechen sich Regelungen in beiden AGB, gilt statt beider Regelungen hingegen wieder das Gesetz.

In der Konsequenz kann es sich lohnen, in eigenen AGB Regelungen gezielt für den Zweck aufzunehmen, typische „gefährliche“ Klauseln von Vertragspartnern zu „zerschießen“. Dies gilt vor allem, wenn Vertragspartner Ihres Unternehmens häufig eigene und einseitige Einkaufsbedingungen verwenden.

Brauchen Sie für Ihre Geschäfte Allgemeine Geschäftsbedingungen?

Ab wann lohnen sich AGB für Ihr Unternehmen? Wir meinen, Sie brauchen AGB nicht immer gleich für Ihren ersten Kunden. Den meisten Unternehmen brauchen zunächst einige Kunden „Anlauf“, um sich darüber im Klaren zu werden, was sie leisten, was ihre Kunden tun sollten und welche rechtlichen Fälle sie standardmäßig regeln möchten. Gerade wegen der Restriktionen der AGB-Inhaltskontrolle sind AGB zumindest kein Allheilmittel, um sich vor Haftung und anderen rechtlichen Risiken zu schützen. Um standardmäßig die Rechte und Pflichte der Parteien umfassend zu regeln, können sie aber eine große Hilfe sein.

Gibt es gesetzliche Regelungen zu Allgemeine Geschäftsbedingungen nur in Deutschland?

Die gesetzlichen Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) sind im internationalen Vergleich eher ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist vor allem, dass die Regelungen nicht nur für Verbrauchergeschäfte, sondern auch für Verträge zwischen Unternehmern gelten. Das ist vom deutschen Gesetzgeber aber ausdrücklich so gewollt. Gerade wenn Sie viel internationales Geschäft haben, kann es sich durchaus lohnen, B2B-Verträge auf Grundlage anderer Rechtsordnungen zu schließen. Sie sollten dann aber Zugriff auf gute rechtliche Berater in den jeweiligen Ländern haben.

Alles OK mit Ihren AGB?

Falls Sie unsicher sind, ob mit Ihren AGB alles in Ordnung oder ob Luft nach oben ist: Beauftragen Sie uns mit einem IT-Vertragscheck. Auf unserer Produktseite erfahren Sie, welche Leistungen wir im Zusammenhang mit AGB für Sie erbringen und was Sie das kostet.

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Redaktionelle Anmerkung: Dieser Artikel wurde erstmals am 12. September 2017 veröffentlicht und zuletzt am 13. Juni 2020 inhaltlich überarbeitet.


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