IT-Vertragspraxis: Schiedsklausel zur Vermeidung von AGB-Restriktionen?

Anlass für diesen Beitrag ist einer der eher seltenen Fälle, in denen ich in der NJW mal etwas wirklich Interessantes entdeckt habe. Es geht um den Aufsatz von Pfeiffer in der NJW-Ausgabe 17/2012, S. 1169 ff. mit dem Titel „Die Abwahl des deutschen AGB-Rechts in Inlandsfällen bei Vereinbarung eines Schiedsverfahrens“. Ich verpacke die Zusammenfassung dieses Aufsatzes als Antworten auf drei grundlegende Fragen zur IT-Vertragspraxis:

1. Was bringen Schiedsklauseln in IT-Verträgen?

Durch eine Schiedsklausel wird vertraglich geregelt, dass Konflikte in der Vertragsbeziehung der Parteien nicht von einem staatlichen Gericht, sondern von einem privaten Schiedsgericht geklärt werden. Dessen Entscheidung ist für die Parteien bindend, es gibt keinen weiteren Instanzenzug.
Schiedsverfahren sind tendenziell teurer als Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und schneller sind sie tendenziell auch nicht. Der wesentliche Vorteil liegt in der Vertraulichkeit des Verfahrens – das hilft IT-Anbieter:innen, Imageschäden vorzubeugen – schließlich geht es in den Verfahren zumeist um die Qualität ihrer Leistungen. Ein weiterer Vorzug ist die im Vergleich zu ordentlichen Richter:innen häufig größere Sachkunde der beteiligten Schiedsrichter:innen.

2. Warum ist das AGB-Recht in der IT-Vertragspraxis ein Problem?

In meinem letzten Beitrag zur IT-Vertragspraxis hatte ich angemerkt, dass meine Vorschläge zum Haftungsausschluss nur für „individualvertragliche“ Regelungen relevant sind. Denn immer dann, wenn Verträge nicht individuell ausgehandelt, sondern von einer Seite als „Standard“ vorgegeben werden, gilt das AGB-Recht. Dann dürfen vertragliche Regelungen nur sehr begrenzt von dem abweichen, was sowieso nach dem Gesetz gelten würde. Das ist vor allem bei Regelungen zur Haftung und Gewährleistung ein Problem für die Angebotsseite. Haftung und Gewährleistung lassen sich in AGB kaum beschränken.
Zusätzlich komplex und unsicher wird es in der Praxis dadurch, dass das AGB-Recht nicht nur Anwendung finden soll, wenn der ganze Vertrag von einer Partei vorgegeben wird, sondern auch in Bezug auf einzelne Klauseln, soweit diese nicht zur Disposition gestellt werden. Es gibt kaum verlässliche Grundlagen für die Frage, wann das der Fall ist.
Speziell in IT-Verträgen kann das AGB-Recht deshalb zu praktischen Problemen führen, weil die Vertragsstandards von den gesetzlichen Standards zum Teil recht weit entfernt sind. Das wirft häufig die Frage auf, ob diese „Entfernung“ vom Gesetz noch AGB-rechtskonform ist. Ein klassisches Beispiel ist Definition von Service Level Agreements. Diese können leicht als unzulässige Einschränkung von Gewährleistungsrechten verstanden werden. In der Praxis sind hier viele Fragen offen.
Auch wenn immer wieder darüber diskutiert wird, das AGB-Recht auf Verbraucherverträge zu beschränken oder es anderweitig einzuschränken: Es gilt – zumindest im Wesentlichen – auch im B2B-Bereich.

3. Kann man das AGB-Recht in IT-Verträgen mit Hilfe einer Schiedsklausel vermeiden?

Pfeiffer sagt, in B2B-Verträgen sei das möglich. Die Parteien können hier nach seiner Ansicht auch bei Inlandssachverhalten eine Schiedsklausel vereinbaren (z.B. nach DIS-Standard) und im gleichen Vertrag die AGB-Vorschriften (§§ 305 bis 310 BGB) von der Geltung ausschließen (also eine Art „Inlands-Rechtswahl“ treffen). Das Schiedsgericht beurteilt den Sachverhalt dann ohne Berücksichtigung des AGB-Rechts.
Pfeiffer begründet seine Ansicht grob gesagt damit, dass sich die Parteien in einer Schiedsvereinbarung nicht auf eine „Rechtsordnung“, sondern auf „anwendbare Rechtsvorschriften“ einigen. Diese Interpretation des § 1051 Abs. 1 ZPO ist nicht unumstritten, überzeugt mich aber. Diese Rechtsvorschriften können die Parteien an sich frei festlegen – solange sie grundlegende Werte der Rechtsordnung nicht missachten (sog. Ordre public-Verstoß). Die Abwahl der §§ 305 bis 310 BGB ist kein solcher Verstoß, da die Generalklausel des § 242 BGB weiterhin gilt. Auch das finde ich überzeugend.
Einen kleinen Haken hat die Sache allerdings: Zumindest die Schieds-, aber auch die Rechtswahlklausel sollten individuell vereinbart werden. (Bei der Rechtswahlklausel könnte laut Pfeiffer auch eine formularmäßige Klausel reichen, aber die müsste zumindest stark hervorgehoben sein.) Das Verfahren eignet sich also nicht für das klassische „Kleingedruckte“ von IT-Dienstleistungen, sondern eher für IT-Vertragsmuster, die eine Seite zum Zwecke der zumindest kurzen Verhandlung vorschlägt. Im Zuge dieser Verhandlungen könnte man dann die Schieds- und Rechtswahlklausel ausdrücklich vereinbaren.

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