Schuldrechtsreform 2022 – Teil II: Faire Verbraucherverträge

Im ersten Beitrag unserer Reihe zur Schuldrechtsreform 2022 haben wir erläutert, was es mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie auf sich hat und welche rechtlichen Unklarheiten, Chancen und Risiken für IT-Unternehmen dadurch entstehen. In diesem Beitrag geht es um das Gesetz für faire Verbraucherverträge und welche Änderungen es mit sich bringt, wenn Sie mit Ihrem Unternehmen auch Verbraucherkunden bedienen.

Der Kündigungsbutton

Der „Kündigungsbutton“ ist in aller Munde und wirft regelmäßig Fragen auf. Für wen gilt er, wann genau muss ich ihn haben und wann kann ich darauf verzichten? Wo muss er platziert werden? Diese Fragen klären wir im Folgenden.

Dauerschuldverhältnisse entstehen durch Verträge, die auf Dauer angelegte, regelmäßige Erbringung von sich wiederholenden Leistungen betreffen, wie etwa eine App, die als Abo angeboten wird, oder der Vertrag mit dem Lieblings-Streamingdienst. Bieten Sie Ihren Verbraucherkund:innen die Möglichkeit, solche Dauerschuldverhältnisse online, also ausschließlich im Internet per Fernkommunikationsmitteln, abzuschließen? Wer den Vertragsschluss so einfach macht, muss auch die Kündigung vereinfachen – sagt der Bund.

Diese zum 01.07. diesen Jahres in Kraft getretene Pflicht erfüllen Sie, indem Sie eine Schaltfläche einrichten, die den Verbraucher:innen mit einem Klick unkompliziert die Kündigung des geschlossenen Vertrags ermöglicht und die eindeutig beschriftet ist (etwa mit „Vertrag jetzt kündigen“). Die Verbraucher:innen müssen zudem die Kündigung per elektronischer Eingangsbestätigung bestätigt bekommen. Hier bleibt abzuwarten, welche Anforderungen die Rechtsprechung an diese Kündigungsbestätigung normieren wird – solange sollten Sie versuchen, den kündigenden Verbraucher:innen alsbald die Kündigung in Textform (per E-Mail, SMS oder etwa auch per Brief) zu bestätigen.

Platzieren Sie den Kündigungsbutton gut sichtbar und einfach auffindbar auf Ihrer Website an einer logischen Stelle. Genaue Vorschriften dazu, wo der Kündigungsbutton zu finden sein muss, gibt es nicht. Sinnvollerweise muss er dort zu finden sein, wo die Verbraucher:innen ihn erwarten. Gibt es also einen Login-Bereich oder Ähnliches, wo designiertes „Vertragsmanagement“ betrieben werden kann, empfiehlt es sich, den Kündigungsbutton auch etwa dort zu platzieren. Fragen Sie sich, wie Verbraucher:innen den Vertrag schließen und wo sie wohl versuchen würden, den Vertrag zu kündigen und setzen Sie genau dorthin Ihren Kündigungsbutton.

Ein Risiko sollten Sie hier besser nicht eingehen: Verzichten Sie auf den Kündigungsbutton oder gestalten Sie das Online-Vertragsmanagement undurchsichtig oder kompliziert, stehen den Verbraucher:innen jeder Zeit ein Kündigungsrecht ohne Einhaltung einer Frist zu.

Strom- und Gaslieferverträge

Ebenfalls Änderungen ausgesetzt sehen sich Unternehmen der Strom- und Gaslieferbranche. Ein rein telefonischer Abschluss von Lieferverträgen über Strom und Gas ist nicht mehr möglich. Wird ein solcher Vertrag telefonisch abgeschlossen, ist er unwirksam. Um dem entgegenzuwirken, muss der Vertrag mindestens zusätzlich „in Textform“, etwa per Email, SMS, klassisch als Brief oder auch Fax vorgelegt werden. Auch die Kündigung solcher Verträge ist nur in dieser sog. „Textform“ möglich.

Vertragsverlängerungen

Lange war es typisch, Verträge mit gewissen Mindestlaufzeiten zu schließen, die sich automatisch um weitere ein bis zwei Jahre verlängerten, sofern die Verbraucherkund:innen nicht rechtzeitig die Kündigung erklären.

Unschön für Unternehmen wird der Praxis der automatischen Vertragsverlängerung gegenüber Verbraucher:innen nun ein klarer Riegel vorgeschoben.

Zwar ist es weiterhin möglich, bestimmte anfängliche Vertragslaufzeiten von bis zu zwei Jahren für bestimmte Verträge zu vereinbaren. Allerdings muss diese anfängliche Vertragslaufzeit bereits mit einer Kündigungsfrist von maximal einem Monat vor Ablauf der Vertragslaufzeit kündbar sein. Außerdem darf nach Ablauf dieser Mindestlaufzeit ohne Zustimmung der Verbraucher:innen keine automatische Verlängerung der Vertragslaufzeit mehr stattfinden, außer: lediglich „auf unbestimmte Zeit“. Dabei muss den Verbraucher:innen eine Kündigungsfrist von höchstens einem Monat zur Kündigung des „auf unbestimmte Zeit“ verlängerten Vertrags eingeräumt werden.

Theoretisch können Verträge dadurch auch weiterhin langfristig weiterlaufen, soweit die Verbraucher:innen nicht kündigen. Diese Kündigung wird aber durch die Monatsfrist erheblich vereinfacht und führt für Unternehmen zu weniger Planungssicherheit.

Etwas kompliziert handhabt es sich mit der Übergangsfrist für bereits laufende Verträge: Für nach dem 01.03. dieses Jahres geschlossene Verträge gilt diese Regelung ab sofort. Für Ihre schon zuvor, bis einschließlich 28.02., abgeschlossenen Verträge gilt aber die folgende Regelung: Hier sind Vertragsverlängerungen weiterhin möglich, und zwar bis zu einem Jahr. Die Kündigungsfrist für Verbraucher:innen zur Kündigung der so verlängerten Verträge darf weiterhin bis zu drei Monate betragen.

Abtretungsverbot

Prüfen Sie einmal Ihre AGB daraufhin, ob Sie eine Abtretungsverbot-Klausel verwenden. Denn ab sofort darf mit Verbraucher:innen in AGB kein generelles Abtretungsverbot mehr vereinbart werden. Klauseln, die nicht differenzieren, sind schlicht unwirksam. Wollen Sie also Abtretungsverbote regeln, müssen Sie Folgendes beachten:

Ein Verbot der Abtretung von Rechten oder Pflichten der Verbraucher:innen, welche einen auf Geld gerichteten Anspruch der Verbraucherkund:innen gegen die Verwender:innen betreffen, ist nicht zulässig. Ebenso wenn ein anderes Recht der Verbraucher:innen gegen die Verwender:innen betroffen ist. Hier ist der Ausschluss nur dann möglich, wenn die Verwender:innen a) ein schützenswertes Interesse an dem Abtretungsausschluss haben oder b) berechtigte Belange der Verbraucher:innen (an der Abtretbarkeit des Rechts) das schützenswerte Interesse der Verwender:innen an dem Abtretungsausschluss nicht überwiegen.

Sind Sie unsicher, ob Ihre Abtretungsklausel diese Voraussetzungen erfüllt? Dann kontaktieren Sie uns gerne – wir können Ihnen hierbei unsere Unterstützung bei der richtigen Formulierung solcher Klauseln bieten.

Einwilligung in Telefonwerbung

Betreibt Ihr Unternehmen Telefonwerbung? Da hier schnell eine Belästigungswirkung bei den Verbraucher:innen entsteht, wurde die Thematik weiter reguliert: Ab sofort muss die Zustimmung der Verbraucher:innen zur Telefonwerbung dokumentiert und für fünf Jahre aufbewahrt werden. Hier drohen sonst Bußgelder von bis zu 50.000 Euro. Ob ein so hohes Bußgeld aber tatsächlich verhängt werden würde, muss sich noch herausstellen.

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