Was besagt das Schutzlandprinzip?

Um sich gegen Softwarepiraterie zu wehren, muss man wissen, mit welchem Mittel man das tut, d. h. zunächst vor allem, welches Recht überhaupt anwendbar ist. Wenn Ihr Nachbar Ihre Software raubkopiert, ist das leicht (deutsches Recht!). Aber was gilt, wenn diejenigen, die Ihre Rechte verletzen, im Ausland sitzen? Das erfahren Sie in diesem Beitrag zum Schutzlandprinzip.

Die Ausgangssituation

Dazu ein leicht abgewandelter Fall aus unserer Praxis: Ein deutscher Anbieter entwickelt eine Software. Raubkopierer aus Russland cracken den Kopierschutz, brennen die Software auf CD und bieten sie gegen ein geringes Entgelt auf einem lokalen Schwarzmarkt in St. Petersburg an.

An welcher Rechtsordnung ist diese Handlung nun zu messen: Der deutschen? Der russischen? Vielleicht an beiden? Von der Antwort auf diese Frage hängt oft viel ab, da der Urheberrechtsschutz je nach Land ganz unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

[Achtung: Es geht hier nicht um die prozessuale Frage, welches Gericht zuständig ist (sog. Gerichtsstand), sondern darum, nach welchem materiellen Recht der Fall zu entscheiden ist. Um den Unterschied deutlich zu machen: Es könnte z. B. sein, dass zwar ein deutsches Gericht zuständig ist, dieses aber zur Lösung des Falles russisches Urheberrecht anwendet.]

Lösung durch das Schutzlandprinzip?

Um nun zu entscheiden, nach welchem materiellen Recht der Fall zu beurteilen ist, wendet man das sogenannte Schutzlandprinzip an, das aufgrund der Berner Übereinkunft in 173 Ländern der Erde gilt. Nach dem Schutzlandprinzip ist immer das (materielle) Recht desjenigen Landes anwendbar, „für“ dessen Gebiet nach Schutz gesucht wird. Soweit, so (un)klar. Doch was ist mit dieser Formulierung eigentlich genau gemeint?

Im Klartext

Unter anderem Folgendes: Schutzrechte, die jemandem nach der Rechtsordnung eines Landes zustehen, können auch nur durch Handlungen verletzt werden, die innerhalb dieses Landes vorgenommen wurden, nicht aber von anderen Ländern aus. Das heißt:

  • Deutsche Urheberrechte können nur durch in Deutschland begangene Handlungen verletzt werden, nicht aber von Russland aus.
  • Russische Urheberrechte können nur von Russland aus verletzt werden, nicht aber von Deutschland aus.

Heißt das nun, dass unser Hersteller sich überhaupt nicht gegen die Softwarepiraten aus Russland wehren kann? Glücklicherweise nicht. Ihm stehen (ebenfalls aufgrund der Berner Übereinkunft) auch Urheberrechte in Russland zu – wie genau diese ausgestaltet sind und was danach erlaubt oder verboten ist, bemisst sich aber eben nach den russischen und nicht nach den deutschen Gesetzen.

Die Konsequenzen durch das Schutzlandprinzip

Wenn also jemand (wie unsere Softwareschmiede) in einem Land der Berner Übereinkunft ein eigenes Werk erstellt, erwirbt er im Moment der Erstellung mit einem Mal automatisch einen ganzen Strauß unterschiedlicher Urheberrechte:

  • In Deutschland erwirbt er deutsche Urheberrechte an diesem Werk (die nur von Deutschland aus verletzt werden können).
  • In Russland erwirbt er russische Urheberrechte an diesem Werk (die nur von Russland aus verletzt werden können).
  • In England erwirbt er englische Urheberrechte an diesem Werk (die nur von England aus verletzt werden können) usw.

Dieser Zustand wird darum auch als Mosaik- oder Flickenteppichprinzip bezeichnet. In welchem Land das Werk zuerst veröffentlicht wird oder woher der Autor stammt, spielt demgegenüber keine Rolle. Der Autor erwirbt also nie nur ein einheitliches Urheberrecht nach einer Rechtsordnung. Hintergrund dafür ist, dass jedes Land selbst bestimmen können soll, wie solche immateriellen Rechte in ihrem Herrschaftsgebiet nun genau ausgestaltet sind und welche Grenzen sie haben.

Eine Konsequenz aus dem Schutzlandprinzip ist, dass die Nutzung eines Werkes in einem Land verboten und gleichzeitig in einem anderen Land erlaubt sein kann. Beispiel: Mangels Panoramafreiheit ist es in Frankreich nicht zulässig, Fotos vom Eiffelturm ohne explizite Erlaubnis zu veröffentlichen. In Deutschland dürften dieselben Fotos (aufgrund der hier geltenden Panoramafreiheit) hingegen vertrieben werden.

Zurück zum Ausgangsfall

Kommen wir noch einmal zu unserem Ausgangsfall zurück: Da es hier eindeutig um Handlungen geht, die in Russland begangen wurden, ist russisches Urheberrecht anwendbar. Unsere Softwareschmiede sollte deshalb möglichst eine Kanzlei beauftragen, die sich mit russischem Urheberrecht auskennt. (Sprechen Sie uns bei Bedarf gerne an. Wir haben gute Kontakte zu vielen Kanzleien unterschiedlicher Größen und Fachrichtungen im Ausland.)

Die allermeisten Urheberrechtsverletzungen werden heutzutage natürlich nicht mehr mittels schwarz gebrannter CDs, sondern durch illegale Download-Angebote im Internet begangen. Nehmen wir also an, dass die russischen Softwarepiraten die Software nicht vor Ort auf dem Schwarzmarkt, sondern auf einer .ru-Domain im Internet anbieten. Ist in diesem Fall deutsches Urheberrecht anwendbar? Das erklären wir Ihnen in unserem nächsten Beitrag zu diesem Thema.

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