Kollidierende AGB: So verhalten sich IT-Anbieter richtig

Der folgende Beitrag über kollidierende AGB von Marta Gubbe, Jurastudentin aus Potsdam, ist der Siegerbeitrag des 2. comp/lex Blog-Wettbewerbs (November 2019). Die Autorin selbst und wir haben ihn in gemeinsamer Abstimmung an manchen Stellen redaktionell bearbeitet.

Was sind AGB, und wozu braucht man sie?

Kennen Sie die häufigste Lüge dieses Jahrhunderts? „Ich habe die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen und akzeptiere diese.“ Ja, wir alle kennen sie und haben sie mal gebraucht – oder kennen Sie jemanden, der sich solche Regelungen ernsthaft durchliest?

Die meisten kennen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) als Regelungen, denen wir zustimmen müssen, bevor wir ein Produkt, zum Beispiel eine App, benutzen können. Rechtlich formuliert sind AGB „alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt.“ (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Der einfachste und uns allen bekannte Fall ist, dass wir den AGB einer Seite bedingungslos zustimmen müssen, ansonsten kommt kein Vertrag zu Stande. Diese werden also nur einseitig gestellt, so wie der Gesetzestext dies auch beschreibt.

Kollidierende AGB im B2B-Geschäft

Schwieriger gestaltet sich die Konstellation, wenn zwei Unternehmen auf Grundlage von AGB miteinander ins Geschäft kommen wollen.

Dabei gibt Unternehmen A ein Angebot mit seinen AGB ab und Unternehmen B nimmt dieses Angebot automatisiert (z.B. über sein ERP-System) mit dem Hinweis an, dass seine AGB gelten. Jetzt fragen Sie sich sicherlich, wieso das schwieriger sein soll. Stellen sie sich vor, die AGB der beiden Parteien widersprechen sich. Dann spricht man vom Fall der kollidierenden AGB. Und genau darum soll es in diesem Beitrag gehen.

Ein Beispiel

Nehmen wir mal an, A kauft bei B 100 Laptops. A beruft sich auf die gesetzlichen Gewährleistungsrechte, also darauf, dass wenn zum Beispiel beim Transport etwas kaputt geht, B neue Laptops nachliefern muss. B dagegen schränkt in seinen AGB die Gewährleistungsrechte ein (das ist in AGB nur in gewissem Umfang wirksam).

Demzufolge muss man sich folgende Frage stellen: Hat dieses Problem Auswirkungen auf die AGB-Gestaltung und wenn ja, welche?

Lösungsweg bei der Kollision von AGB

Juristen haben in der Vergangenheit verschiedene Theorien entwickelt, um mit diesem Problem umzugehen. Mittlerweile wird in Deutschland einhellig die Ansicht vertreten, dass ein Vertrag mit kollidierenden AGB an sich zu Stande kommen kann. Soweit sich Regelungen in den beiden AGB widersprechen, werden sie durch die gesetzliche Regelung ersetzt. Übereinstimmende Regelungen in den AGB werden Bestandteil des Vertrags. Diese Ansicht wird auch die „Knock-Out“ Regel oder die Kongruenzregel genannt.

Was bedeutet das nun für IT-Anbieter?

Nun stellt sich also eine weitere Frage: Was kann ein IT-Anbieter tun, um mit diesem Problem richtig umzugehen?

Der rechtlich sicherste Weg besteht darin, die Kollision von AGB zu vermeiden. Der Anbieter könnte zum Beispiel versuchen, mit seinem Vertragspartner eine klare Vereinbarung zu treffen, aus der sich eindeutig ergibt, welche Regelungen im Einzelnen gelten sollen. Das können die vollständigen AGB von einer der beiden Seiten sein, ggf. mit im einzelnen abweichenden Inhalten. Eine entsprechend klare und konkrete Formulierung sollte der Kunde dann in seine Auftragsbestätigung aufnehmen, sodass die andere Vertragspartei von Anfang an weiß, worauf sie sich einlässt.

In der AGB-Praxis versuchen Anbieter häufig, kollidierende AGB über eine Abwehrklausel zu verhindern. So eine umfassende Abwehrklausel könnte heißen: „Anderslautende Bedingungen, soweit sie nicht in dieser gesamten Bestellung festgelegt sind, gelten nicht“.

In der Praxis sind diese Abwehrklauseln leider so weit verbreitet, dass sie häufig beide Parteien nutzen und somit keine Partei weiterkommt. Außerdem ist die große Frage, ob die Abwehrklausel(n) überhaupt Vertragsbestandteil werden, weil die AGB ja nicht als Ganzes akzeptiert sind. Deshalb gilt: Abwehrklauseln bringen weniger als man denkt!

Eine weiterer Lösungsweg könnte jedoch sein, auf mögliche Regelungen in AGB von IT-Kunden, die man als Anbieter verhindern möchte, in seinen AGB spezifische Gegenklauseln zu formulieren. Mit einem solchen “Präventivschlag” würden kollidierende AGB vorliegen, die nicht in den Vertrag einfließen.

Wie geht man mit international kollidierenden AGB um?

Wie geht man mit dem Problem der kollidierenden AGB um, wenn der Anbieter in Deutschland sitzt und der Kunde zum Beispiel in Singapur? Das ist in unserer globalisierten Welt längst Alltag, gerade im IT-Bereich.

Der Unterschied zum “innerdeutschen” AGB-Kollision liegt darin, dass die “Knock-Out-Regel” eine Regel des deutschen Rechts ist, man allerdings hier erst noch prüfen muss, ob bezogen auf den Umgang mit der AGB-Kollision das Recht von Deutschland oder Singapur Anwendung finden soll.

Die Lösung richtet sich nach den Regeln des Internationalen Privatrechts und geht ungefähr so:

  • Relativ einfach ist die Lösung, wenn es sich um einen Kaufvertrag handelt, beide Staaten dem Übereinkommen zum UN-Kaufrecht (CISG) beigetreten sind und die Parteien die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts in ihren AGB nicht ausschließen. Dann gilt nach Art. 19 CISG die “Theorie des letzten Wortes” und nicht die “Knock-Out-Regel”. Es würden dann also die AGB derjenigen Partei gelten, die sich zuletzt auf sie berufen hat.
  • Schwieriger ist die Lösung, wenn die obigen Voraussetzungen nicht erfüllt und das UN-Kaufrecht nicht anwendbar ist. Dann soll sich nach einer Literaturmeinung der Umgang mit der Kollision nach den Regeln des sog. objektiven Vertragsstatut richten (z.B. Art. 4 Rom-I-Verordnung). Liegt der Fall “näher an Deutschland”, würde die “Knock-Out-Regel” gelten, liegt er “näher an Singapur”, gilt die Rechtsregel zum Umgang mit kollidierenden AGB, wie sie in Singapur üblich ist.

Echt schwierig, oder? Keine Sorge, das muss man echt nicht wissen, um im Leben weiter zu kommen.

Zusammenfassung

Also fassen wir alles noch einmal zusammen:

Bei kollidierenden AGB kommt ein Vertrag zu Stande. Kollidierende einzelne AGB-Regelungen heben sich aber auf und werden durch gesetzliche Regelungen ersetzt. Nur soweit Übereinstimmung besteht, werden AGB-Klauseln Vertragsbestandteil.

Wenn IT-Anbieter Klarheit über Vertragsinhalte haben wollen, sollten sie versuchen, gegen das “AGB-Pingpong” vorzugehen und klare Vereinbarungen mit ihren Kunden zu treffen. Falls das nicht möglich ist, könnte man bewusst konkrete Regelungen in seine AGB aufnehmen mit dem Ziel, besonders unangenehme konträre Regelungen des Geschäftspartners auszuschließen und somit nicht Bestandteil des Vertrages werden zu lassen.

Ist der andere Vertragspartner im Ausland angesiedelt, muss man sich zunächst fragen, welche Regel zum Umgang mit der AGB-Kollision zwischen den Parteien gilt. Dass insofern deutsches Recht und damit die „Knock-Out“ Regel anwendbar ist, ist nicht sicher. Auch andere Lösungswege sind möglich!

Sind diese ganzen Hürden erst einmal genommen, so stehen einem erfolgreichen Vertrag keine kollidierenden AGB mehr im Wege.

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