Unsere Haltung zu Agilen IT-Projekten

Wir merken in unserer Beratungspraxis, dass ein Agiles Vorgehen in IT-Projekten (z.B. nach der Scrum-Methodik) längst nichts Exotisches mehr ist. Anhand eines aktuellen Falles hier ein paar Gedanken dazu, welche Dinge wichtig für das Gelingen eines Agilen Projekts und für seine rechtliche Gestaltung sind.

Die Situation: Der Anwalt blockiert

Vor wenigen Wochen kontaktierte und ein kleineres Unternehmen, das schon seit längerem einen etwas komplexeren Website-Relaunch vor sich her schiebt. Jetzt sollte das Projekt endlich losgehen. Das Unternehmen hatte zwei neue Mitarbeiter, die in ihren früheren Jobs gute Erfahrungen mit Agiler Softwareentwicklung gemacht hatten; einer der beiden hatte eine Agentur an der Hand, mit der er bei seinem früheren Arbeitgeber ein Agiles Projekt sehr erfolgreich bestritten hatte. Beide wussten, welche Risiken, aber auch welche Chancen Softwareentwicklung nach Agilen Projektmethoden bietet, und sie hatten das nötige Know-How, um so ein Projekt auf Kundenseite zu begleiten. Die als gut und erfolgreich bekannte Agentur legte einen eigenen Entwurf für einen Agilen Projektvertrag vor.

Der Grund, warum uns das Unternehmen kontaktierte, war für uns überraschend: Eigentlich arbeitete man schon länger mit einem anderen, sehr erfahrenen IT-Anwalt zusammen. Aber dieser Anwalt habe das Unternehmen vehement von einem Agilen Projekt abbringen wollen. Etwas anderes als ein Vorgehen nach dem “Wasserfallmodell” halte er nicht für sinnvoll. Das Unternehmen hatte nun Zweifel, ob man diesem Anwalt noch vertrauen konnte.

Sechs Voraussetzungen für ein erfolgreiches Agiles Projekt

Überrascht waren wir zunächst darüber, dass sich ein Rechtsberater überhaupt dazu berufen fühlt, seinem Mandanten eine kommerzielle Empfehlung zu geben, die ihm – zumindest nach unserer Berufsauffassung – nicht zusteht. Unsere Aufgabe als Wirtschaftsanwälte sehen wir darin, unsere Mandanten in die Lage zu versetzen, informierte Entscheidungen zu treffen. In der Regel brauchen sie dafür vor allem eine Bewertung rechtlicher und tatsächlicher Risiken. Bestimmte (rechtliche) Risiken in Kauf zu nehmen, wenn die (kommerziellen) Chancen überwiegen, kann durchaus sinnvoll sein.

Worin bestehen nun diese Risiken in einem Agilen IT-Projekt, und damit zugleich die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Agiles IT-Projekt? Hier eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte.

  1. Unklares Ende: Dem Kunden ist in der Regel bewusst, dass zu Projektbeginn noch nicht klar sein kann, wie die Ergebnisse am Ende aussehen. Ihm ist deshalb klar, dass in dieser Situation ein “statisches” Projekt ohnehin keinen Erfolg verspricht.
  2. Aktivität des Kunden: Agile Projekte sind stark von der laufenden Zusammenarbeit der Parteien und einer dynamischen Projektentwicklung geprägt. Der Auftraggeber braucht hierfür das entsprechende Know-How und die nötigen Ressourcen.
  3. Vertrauen: Der Kunde sollte gut begründetes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers und in seine Kompetenz haben, Agile Projekte erfolgreich umzusetzen.
  4. Planvolles Vorgehen: Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, Agile Projekte zu gestalten und zu koordinieren. “Scrum” ist nur eine davon. Die Parteien müssen sich darin einig sein, welchen Weg sie gehen möchten, und sie sollten diesen Weg klar vereinbaren.
  5. Verantwortlichkeit für Ergebnisse: Aus rechtlicher Sicht gehen die Meinungen auseinander, ob Agile Projektverträge als Dienst- oder Werkverträge zu behandeln sind. Es ist kaum möglich, darauf eine klare Antwort zu geben. Dem Kunden hilft ein Vertrag, der zumindest die eingangs vereinbarten Funktionalitäten und die pro Sprint vereinbarten Funktionalitäten als werkvertragliche Leistung definiert.
  6. Flexibler Ausstieg: Falls es doch nicht so läuft wie gewünscht, muss der Kunde in der Lage sein, das Projekt schnell abzubrechen und den Auftragnehmer zu wechseln. Dies sollte zum einen vertraglich ohne weiteres möglich sein. Zum einen sollte der Auftragnehmer seine Leistungen so dokumentieren, dass ein Nachfolger darauf aufbauen kann.

Ein erstaunlich ausgewogener Vertrag vom Kunden

Nachdem wir vom Unternehmen kontaktiert und mandatiert wurden, konnten wir sehr schnell feststellen, dass alle hier genannten Voraussetzungen im Wesentlichen erfüllt waren. Vor allem der Vertragsentwurf der Agentur hat uns überrascht: Er passte genau zum Projekt, gab den Projektverlauf exakt wieder und war rechtlich erstaunlich ausgewogen. Wer uns kennt, weiß, dass wir so etwas sehr schätzen (hier die Begründung). So stand für uns fest, dass dieses Projekt nichts mit denen zu tun hatte, die zuletzt vor Gericht gelandet waren (siehe z.B. diese Entscheidung des OLG Frankfurt). Als wir den Vertrag und unsere wenigen Anmerkungen abstimmten, mussten wir übrigens an mehreren Stellen feststellen, dass wir einzelne Passagen ganz anders bewerten als besagter Anwaltskollege …

Natürlich gab es an diesem Vertrag einige Dinge, die man zu Gunsten unserer Mandantin hätte anpassen sollen. Aber auch diese Änderungswünsche wurden von der Agentur ohne große Diskussionen akzeptiert.

Unsere Arbeit hat wenige Stunden gedauert, das Projekt konnte ohne weitere Verzögerung starten. Wir hoffen natürlich sehr, dass es erfolgreich verläuft. Natürlich wissen wir, dass auch Agile Projekte scheitern können. Aber das können “statische” Projekte ebenso. Wer aber als Anwalt glaubt, dass sein Mandant mit einem “hieb- und stichfesten” Projektvertrag in der Situation eines gescheiterten Projekts glücklich wird, kennt die Praxis nicht.

Unsere Unterstützung in Agilen Projekten

Wie Sie sehen: Wir mögen Agile Projekte, aber ein Allheilmittel sind sie weder aus tatsächlicher noch aus rechtlicher Sicht. Wir helfen aber auch Ihnen gerne dabei,

  • einzuschätzen, ob in Ihrer Situation ein Agiles Projekt sinnvoll sein kann oder nicht,
  • Agile Projektverträge für Ihre Kunden und Auftragnehmer zu entwerfen, zu prüfen und zu verhandeln,
  • auf Grundlage der vertraglichen und gesetzlichen Situation Ihre rechtliche Situation zu bewerten, falls sich ein Agiles Projekt nicht wie gewünscht entwickelt.

Sprechen Sie uns dazu gerne an.

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