IT-Verträge in der Krise, Teil 1: Was tun, wenn der Kunde nicht zahlt?

Die Coronakrise hat Deutschland und die Welt fest im Griff. Was bedeutet sie für IT-Unternehmen und bereits geschlossene Kundenverträge? Was können Sie tun, wenn Ihr Kunde in der Krise plötzlich nicht mehr liquide ist? Dies und die Frage, wie und ob man sich zukünftig vor ähnlichen Ereignissen schützen kann, soll diese Beitragsreihe erläutern. In diesem ersten Teil beschäftigen wir uns zunächst mit dem Thema Zahlung.

Der Einstieg

Beispielfall: Das Softwarehaus Soft & Smart vertreibt Lizenzen für eine Unternehmenssoftware. Diese Software ermöglicht es dem Nutzer seine Ein- und Ausgaben zu verwalten, die Personalakten digital zu führen und den Bestand seiner Waren auf einem Blick im Auge zu behalten. Das Unternehmen Wollig und schick hat eine solche Lizenz bei Soft & Smart erworben und zahlt eine monatliche Nutzungsgebühr von 250 €. Nachdem die Landesregierung in der Krise veranlasst hat, dass nur noch die notwendigsten Geschäfte geöffnet haben dürfen, muss Wollig und schick seine Filialen schließen. Da sie keinen Onlineshop haben, bricht mit einem Mal das komplette Einkommen weg. Das Unternehmen muss seine Reserven nutzen, um seine Mitarbeiter und die Miete der Verkaufsräume weiter bezahlen zu können. Allerdings ist Wollig und schick der Ansicht, dass es die Nutzungsgebühr für die Softwarelizenz nun nicht mehr entrichten muss, da es diese in der Krise ja gar nicht nutzen kann. So stellt Wollig und schick kurz nach Schließung der Geschäfte die Zahlung an Soft & Smart ein.

Das vorstehende Beispiel dürfte in dieser oder einer ähnlichen Konstellation in der derzeitigen Krise häufiger eingetreten sein. Wie kann sich Soft & Smart gegen die Nichtzahlung von Wollig und schick wehren?

Wie kommen wir an unser Geld?

Stellt Ihr Vertragspartner seine Zahlung plötzlich ein (sei es aufgrund einer Krise oder nicht), ist dies für Sie zunächst einmal sehr ärgerlich. Schließlich leisten Sie Ihren Teil des Vertrags und wollen dafür auch bezahlt werden. Kurz vorab: Es gibt kein Wundermittel, das einen schnell zu seinem Geld bringt, wenn der andere die Zahlung erst einmal eingestellt hat. Zwar besteht auch während einer Krise grundsätzlich ein Anspruch auf das Geld, nur leider ist das Eintreiben meist mit viel Ärger und einer Beschädigung der geschäftlichen Beziehungen verbunden. Dieser Artikel soll vor allem Verhaltensweisen und Möglichkeiten aufzählen, an die Sie sich als IT-Unternehmer halten sollten und mit denen Sie größeren Ärger unter Umständen sogar vermeiden können.

Zahlt der Kunde seine Rechnung nicht (mehr) und wurde vertraglich für diesen Fall auch nichts geregelt, gelten die normalen Bestimmungen des Zivilrechts. Ihnen bleibt also nur, den Kunden in Verzug zu setzen und gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der Verzug ist in § 286 BGB geregelt. Grundsätzlich bedarf es für das Inverzugsetzen einer Mahnung. In der Regel befindet sich der Kunde jedoch meist schon in Verzug, da vertraglich ein Termin zur Zahlung vereinbart war („10 Tage nach Rechnungserhalt“, „zum 15. des Monats“, „zum Beginn des Folgemonats“…). In diesem Fall ist kein Mahnschreiben mehr erforderlich, der Verzug ist bereits eingetreten. Sie haben nun die Möglichkeit, selbst das gerichtliche Mahnverfahren einzuleiten oder ein Inkassounternehmen oder einen Rechtsanwalt mit der Eintreibung der Forderung zu beauftragen. Die dabei entstehenden Kosten werden als Verzugsschaden komplett dem Kunden auferlegt. Sie, als leistungswilliger Vertragspartner, sollen nämlich nicht auch noch mit Mehrkosten für die Nichtzahlung des Leistungsverweigerers bestraft werden.

Häufig zahlen Schuldner nach einem anwaltlichen Mahnschreiben eher, weil Ihnen auf diese Weise klar(er) wird, dass sie zur Zahlung verpflichtet sind und in einem Rechtsstreit ohnehin unterliegen würden.

Zahlen sie jedoch nicht oder ignorieren das/die Schreiben des Anwalts, haben Sie als Gläubiger die Möglichkeit, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei Privatkunden dürfte das erste Mittel der Wahl das gerichtliche Mahnverfahren sein: Dem Schuldner wird der Mahnbescheid zugestellt, gegen den er innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen kann. Tut er dies, kommt es zum streitigen Gerichtsverfahren. Tut er dies nicht, können Sie einen Vollstreckungsbescheid beantragen, gegen den der Schuldner innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen kann. Der Einspruch ist hierbei die letzte Möglichkeit für den Schuldner, sich gegen den Zahlungsanspruch zu wehren. Legt er ihn ein, kommt es zum streitigen Gerichtsverfahren. Legt er keinen Einspruch ein, wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig. Aus ihm kann die fällige Summe nun im Rahmen der Zwangsvollstreckung eingezogen werden.

Bei Kunden, die selbst Unternehmer sind, wie in unserem Einstiegsfall, empfehlen wir das gerichtliche Mahnverfahren eher nicht, da diese sich in der Regel ohnehin gegen den Mahnbescheid wehren und Widerspruch einlegen werden. Es empfiehlt sich an dieser Stelle – sollten sie zuvor nicht auf das anwaltliche Mahnschreiben reagiert haben – die Forderung sofort bei Gericht einzuklagen.

Dürfen wir unsere (Cloud-)Leistungen einstellen?

Sie werden sich vielleicht gefragt haben, ob Sie den Kunden für seine Nichtzahlung „bestrafen“ dürfen. Wenn er seine Rechnung nicht zahlt, dann kommt er auch nicht mehr in den Genuss Ihrer Leistungen…

Sind Sie als Cloud-/Rechenzentrums-/SaaS-Anbieter, dass Leistungen dieser Art unter das Mietrecht fallen. Dieses regelt (in § 543 BGB) das Recht der außerordentlichen Kündigung (in unserem Fall also die Einstellung der Dienste). Sie können als Anbieter nur dann den Vertrag außerordentlich kündigen, wenn der Nutzer mit mindestens zwei Monatsbeiträgen, einem erheblichen Teil der Zahlungsverpflichtung oder mehr als zwei Monate mit einem Betrag, der dem von mindestens zwei Monatsbeiträgen entspricht, in Verzug ist.

In allen anderen Fällen raten wir Ihnen generell davon ab, dass Sie als IT-Unternehmen Ihre Leistungen selbst einstellen. Und zwar weil Sie aus dem Vertrag heraus weiterhin zur Leistungserbringung verpflichtet sind. Nur weil der Vertragspartner die Beiträge für vergangene Monate nicht bezahlt hat, dürfen Sie Ihre Leistung nicht einstellen. Der Vertragspartner könnte Sie dann im schlimmsten Fall auf Leistung verklagen – unabhängig davon, ob er mit Zahlungen im Verzug ist oder nicht. (Lesen Sie weitere Ausführungen hierzu weiter unten unter dem Thema „Drosselung“.) Außerdem können in einem gerichtlichen Mahnverfahren Ansprüche, die von einer Gegenleistung abhängig sind und noch nicht erbracht wurden, nicht geltend gemacht werden. Sie verlieren folglich Ihre zukünftigen Zahlungsansprüche, wenn Sie Ihrerseits die Leistungen verweigern.

Dürfen wir unsere Leistungen drosseln?

Wenn Sie Ihre Leistungen nicht einfach so einstellen dürfen, fragen Sie sich vielleicht, ob Sie denn wenigstens drosseln dürfen:

Beispielfall: Handynutzer Harald schließt einen mobile-Daten-Nutzungsvertrag beim Telefonkonzern Telephone GmbH ab. Er erhält 15 GB LTE-Datenvolumen für 10,99 € im Monat. Nach vier Monaten stellt Harald seine Zahlung ein. Die Telephone GmbH sperrt Harald daraufhin den LTE-Zugang und stellt ihm nur noch 500 MB Edge-Volumen zur Verfügung.

Für die Frage, ob eine Drosselung möglich ist, stellt sich zunächst die Frage, wer von beiden Vertragspartnern vorleistungspflichtig ist. Geht man davon aus, dass der Kunde vorleistungspflichtig ist, kann (nach § 320 Abs. 1 BGB) die Leistung (in Teilen) eingestellt/gedrosselt werden. Hat der Kunde nur einen Teil der Rechnung bezahlt, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Leistung nicht ohne Weiteres eingestellt oder gedrosselt werden darf.

Geht man allerdings davon aus, dass der IT-Unternehmer vorleistungspflichtig ist, dürfte die Leistung nur (teilweise) eingestellt/gedrosselt werden, wenn erkennbar ist, dass der Vertragspartner zur Zahlung nicht im Stande ist. Ob hierfür eine Verzögerung von einem Monatsbeitrag ausreicht, ist jedoch äußert fraglich.

Kurzum: Die Leistungen sollten weder gedrosselt noch eingestellt werden. Im Zweifelsfall sind die offenen Zahlungen gerichtlich einzuklagen. (Für unser Beispiel: Telekommunikationsanbieter haben gem. § 45k Abs. 2 TKG allerdings die Möglichkeit, den Telefonanschluss zu sperren, wenn der Kunde mit mindestens 75 € in Verzug ist und unter einer Fristsetzung von zwei Wochen über die Sperre aufgeklärt wurde.)

Darf unser Kunde die Zahlung verweigern, weil er unsere Leistung nicht (produktiv) nutzen kann?

Beispielfall: Friseursaloninhaber Frank mietet beim IT-Unternehmen HairTech eine Software für die Erfassung von Kundendaten und Rechnungserstellung. Im Zuge der Corona-Pandemie ist er gezwungen, seinen Salon zu schließen, um die Verbreitung des Virus‘ einzudämmen. Frank stellt die Zahlung an HairTech ein und führt aus, dass er die Software ja gar nicht nutzen konnte.

In einigen Köpfen scheint der Grundsatz „Ich muss nur für das bezahlen, was ich auch brauche.“ verinnerlicht zu sein. Von diesem Standpunkt halten wir eher wenig, denn er ist nicht mit dem deutschen Recht vereinbar. Zwar haftet grundsätzlich der Anbieter dafür, dass der Lizenzgegenstand (also die Software) brauchbar und technisch ausführbar ist, jedoch nicht für seine wirtschaftliche Verwertbarkeit. Die sinnvolle wirtschaftliche Verwertung des Lizenzgegenstands liegt im Risikobereich des Kunden. Faktisch kann er die Software schließlich verwenden, und nur das ist die Haftungs- und Gewährleistungspflicht des IT-Unternehmers. Ob der Kunde die Software wirtschaftlich gebrauchen kann, kann folglich nicht Ihnen als IT-Unternehmer zuzurechnen sein. Aus obigem Beispiel hat folglich Frank die Beiträge weiterhin an HairTech zu leisten.

Darf unser Kunde die Zahlung mit der Begründung verweigern, unsere Rechnung sei nicht richtig?

Widerspricht der Kunde Ihrer Rechnung schriftlich und mit einer Begründung, sind Sie verpflichtet, den Widerspruch zu prüfen und die Rechnung gegebenenfalls zu korrigieren. Der Kunde hat das Recht auf eine korrekte und fehlerfreie Abrechnung. Verweigern Sie als Unternehmer die Korrektur der Rechnung, müssen Sie dies begründen. Begründen Sie die ausgebliebene Rechnungskorrektur nicht, kann der Kunde seine Zahlung verweigern. Die Inverzugsetzung wird damit gehemmt. Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 14.06.2007 (Az. VII ZR 230/06) entschieden, dass eine Rechnung nur dann durchsetzbar ist, wenn der Rechnungsbetrag aus den vorgelegten Rechnungen und weiteren Unterlagen nachvollziehbar ist.

Nehmen Sie einen solchen Widerspruch des Kunden also in jedem Fall ernst und prüfen Sie, ob die von Ihnen gestellte Rechnung korrekt ist.

Was können wir sonst tun, um uns gegen Zahlungsausfall abzusichern?

Um Ihren Ärger und den damit verbundenen Arbeitsaufwand im Falle einer Nichtzahlung durch Kunden möglichst gering zu halten, können wir folgende Maßnahmen empfehlen:

  1. Als Softwareanbieter können Sie technische Maßnahmen treffen, die eine Nutzung der Software erst mit vollständiger Zahlung ermöglichen (z.B. Übermittlung von Lizenzschlüsseln, Freischaltung von Nutzerkonten).
  2. Wenn Sie Standard- oder Individualsoftware überlassen, stellen Sie die Einräumung der Nutzungsrechte unter Zahlungsvorbehalt. Wenn der Kunde nicht zahlt und die Software trotzdem nutzt, begeht er eine Urheberrechtsverletzung und kann auf Schadensersatz und Unterlassen der weiteren Nutzung verklagt werden – auch im Einstweiligen Rechtsschutz (d.h. im „Schnellverfahren“). Das gilt sowohl für die dauerhafte (Kauf-/Werkverträge) als auch für die zeitlich begrenzte Softwareüberlassung (Softwaremiete).

Krisen wie diese werden für IT-Verträge schnell zur Herausforderung. In unserem E-Book erfahren Sie, wie Sie Ihre IT-Verträge wirksam auf die nächste Krise vorbereiten – für sichere Geschäfte jetzt und in Zukunft:

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