Was bringen Force-Majeure-Klauseln in IT-Verträgen?

Nun hat das „Corona-Virus“ auch unsere Kanzlei erreicht - zum Glück nur in Form einer Mandatsanfrage. Eine unserer Mandantinnen - ein mittelständischer Anbieter von Spezialsoftware für die Finanzbranche - bat uns darum, ihre AGB um eine Klausel zum Thema “Höhere Gewalt” zu ergänzen (sog. Force-Majeure-Klauseln). Hier erklären wir kurz, was wir von solchen Regelungen halten - gerade in Bezug auf „Corona“.

Was ist eine Force-Majeure-Klausel?

Force-Majeure-Klauseln sind vor allem in internationalen (IT-)Verträgen stark verbreitet. Sie regeln, in welchen Fällen sog. „Höhere Gewalt“ vorliegt und welche Auswirkungen das auf die Leistungspflichten der Parteien und das Vertragsverhältnis hat.

Force-Majeure-Klauseln bestehen üblicherweise aus den folgenden Elementen:

  • In welchen Fällen liegt „Höhere Gewalt“ vor?
  • Klarstellung, dass die Leistungspflicht des Dienstleisters in dieser Zeit suspendiert ist.
  • Ist der Dienstleister in diesen Fällen zur Mitteilung verpflichtet, und wenn ja, in welcher Form?
  • Welche Auswirkungen hat die Suspendierung auf die Vergütungspflicht des Kunden?
  • Haben die Parteien ein Kündigungsrecht, wenn die Situation eine längere Zeit anhält?

Was bringen Force-Majeure-Klauseln nach deutschem Recht?

Force-Majeure-Klauseln sollen IT-Anbieter vor Haftung in Fällen schützen, in denen sie wegen “Höherer Gewalt” nicht zur Leistungserbringung in der Lage sind.

Nun gilt nach deutschem Recht aber ohnehin das Verschuldensprinzip – nur in ganz wenigen Ausnahmefällen haften Unternehmen also auch dann, wenn sie eine ausgebliebene, verzögerte oder mangelhafte Leistung nicht durch eigene Fehler verursacht haben. (Ein solcher Ausnahmefall ist die Produkthaftung nach dem ProdHaftG, die im IT-Bereich aber eine eher untergeordnete Rolle spielt.)

Nun zeichnen sich Situationen “Höherer Gewalt” dadurch aus, dass denjenigen, der wegen “Höherer Gewalt” nicht leisten kann, an der Situation eben kein Verschulden trifft. Deshalb ist er für ein Leistungshindernis in dieser Situation auch nicht verantwortlich, und er haftet nicht für eventuelle Schäden. Ebenso klar ist, dass ein Kunde für eine Leistung, die nicht erbracht wird, auch nicht zahlen muss – ganz egal, was die Ursache für das Ausbleiben der Leistung ist.

Eine Force-Majeure-Klausel in AGB stellt insofern also im Wesentlichen nur das klar, was ohnehin gilt. Für solche Regelungen gilt: Man kann sie aufnehmen, zum Beispiel aus Gründen der Klarstellung, aber es bringt eigentlich nichts.

Dies gilt wohlgemerkt nicht für alle Punkte der obigen Themenliste. Es kann unserer Meinung nach durchaus sinnvoll sein, die Mitteilungspflicht des Anbieters in Fällen “Höherer Gewalt” zu regeln, weil das Gesetz hierzu keine Regelung trifft. Ebenso sinnvoll kann eine Regelung sein, welche den Parteien ein Kündigungsrecht einräumt, wenn die Situation “Höherer Gewalt” länger andauert. Dies kann man zwar aus dem Gesetz herleiten (§§ 313, 314 BGB), man kann diese Regelungen aber durchaus konkretisieren.

Kann man Situationen als “Höhere Gewalt” definieren, die keine “Höhere Gewalt” sind?

Im Rahmen von Force-Majeure-Klauseln versuchen IT-Anbieter häufig, Fälle als “Höhere Gewalt” zu definieren, die eigentlich durchaus in ihrem Verantwortungsbereich liegen. Ein beliebter Fall ist der Ausfall von Subunternehmern, z.B. eines Hosting-Anbieters, den eine Digitalagentur für den Betrieb einer Online-Anwendung nutzt.

Dieses Vorgehen ist in der Regel unzulässig, zumindest in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Individualvertraglich kann so etwas zulässig sein, aber die Hürden für die Annahme einer Individualvereinbarung sind ziemlich hoch). Denn ein IT-Kunde kann und muss annehmen, dass ein Anbieter für das, was er vertraglich zusagt, auch verantwortlich ist. Seine Verantwortlichkeit geht so weit, dass er für das Bestehen seiner Lieferkette gerade stehen muss.

Diese Einschränkung macht es nochmals schwerer, Force-Majeure-Klauseln als IT-Anbieter zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Wann kann das „Corona-Virus“ zu einer Situation “Höherer Gewalt” führen?

Epidemien und Pandemien sind in Literatur und Rechtsprechung (vor allem in Bezug auf Reiseverträge in betroffene Länder) an sich durchaus als Situationen “Höherer Gewalt” anerkannt. Wenn das eigene Unternehmen also auf Grund behördlicher Anordnung “stillgelegt” wird, wird man annehmen müssen, dass das Unternehmen Lieferstörungen nicht zu vertreten hat. Unternehmen haben in Bezug auf ihre Mitarbeiter und Zulieferer allerdings die Pflicht, zumutbare Vorkehrungen für Ausfälle zu treffen. So ist Unternehmen zuzumuten, für den Ausfall einzelner Zulieferer für Ersatz zu sorgen, und Vorkehrungen für den (krankheitsbedingten) Ausfall auch einer größeren Zahl von Mitarbeitern zu treffen.

Nützt es etwas, Force-Majeure-Klauseln durch „Epidemie“-Beispiele zu ergänzen?

Sie haben in Ihren AGB bereits eine Force-Majeure-Klausel, und Sie meinen, diese zu verbessern, wenn Sie Epidemien und Pandemien als Sitationen “Höherer Gewalt” darin aufnehmen?

Wie gesagt, zur Klarstellung kann das helfen, aber die tatsächliche Rechtslage beeinflussen solche Regelungen eher wenig – zumindest in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

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Alles OK mit Ihren Force-Majeure-Klauseln?

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Redaktionelle Anmerkung: Dieser Artikel wurde erstmals am 5. März 2020 veröffentlicht und zuletzt am 13. Juni 2020 inhaltlich überarbeitet.


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